Mein Praktikum
Der Erfahrungsbericht ist von N.W. Sie hat an der FH Dornbirn Sozialarbeit studiert und das Langzeitpraktikum in der Therapiestation Carina absolviert.
Mein Praktikum in der Therapiestation Carina zu reflektieren erzeugt bei mir gemischte Emotionen. Einerseits erfüllt mich der Gedanke an die vergangen Monate mit großer Dankbarkeit und Freude, weil ich unglaublich viel erleben, ausprobieren, erfahren und lernen durfte. Andererseits macht sich auch etwas Wehmut bemerkbar, weil ich eine unglaublich tolle Zeit hatte mit den Patienten_innen, dem Team und diese nun vorbei ist.
Es war eine äußerst intensive Phase, die viel Energie und vor allem Zeit beansprucht hatte.
Doch so dicht die Wochen oft waren und so müde ich manchmal war, möchte ich keine Minute missen, die ich in der Carina verbracht habe. Ich konnte so viel für mich als zukünftige Sozialarbeiterin und auch für mich als Privatperson mitnehmen, dass es mir gar nicht leicht fällt, mich auf einen wesentlichen Aspekt zu beschränken.
Ich denke aber, dass der Begriff „Beziehung“ sehr viel beinhaltet, was ich an Erfahrungen als essentiell empfunden habe. Immer wieder hören wir im Studium, dass eine gute Beziehungsebene das Um und Auf ist. Auch die Arbeit mit den Patienten_innen in der Carina war im Nachhinein gesehen nur über Beziehung möglich. Doch wie gestaltet man Beziehung, mit Menschen die man (noch) nicht kennt, auf eine professionelle, aber doch vertrauensvolle Weise? Ich habe keine allgemein gültige Antwort oder ein Generalrezept dafür. Ich kann lediglich von meinem Weg berichten, wie ich rückblickend denke, Beziehung aufgebaut, gestaltet und erlebt zu haben.
Das Konzept der Arbeitstherapie in der Carina vereinfacht das Zugehen auf die Patienten_innen ungemein. Das gemeinsamen Tun in der Küche, der Hausreinigung, im Stall oder im Garten bietet Raum für Gespräche über scheinbar ganz belanglose Themen. Doch durch genaues Zuhören und ehrlichem Interesse erfährt man in diesen Konversationen so viel über das Wesen, die Werte und das Leben des/der Gesprächspartner_in. In Beziehung zu treten bedeutet auch ein Stück weit immer, etwas von sich selbst anzubieten – von meiner eigenen Geschichte und von
meiner Persönlichkeit. Dafür brauchte es von meiner Seite einen gewissen Vertrauensvorschuss den Patienten_innen gegenüber, dass sie mit mir und den Informationen, die ich über mich preisgebe, gut und respektvoll umgehen. Eine gesunde Balance zwischen Nähe und Distanz zu halten ist dabei wichtig.
Viele Patienten_innen der Carina haben in ihrer Vergangenheit oft Beziehungsabbrüche erlebt und tun sich selbst schwer, in Kontakt zu bleiben. Ich empfand es als elementar, die Grenzen meines Gegenübers zu wahren, wenn nötig Freiraum zu geben, aber auch meine eigenen Grenzen dabei nicht außer Acht zu lassen. Im gemeinsamen Dialog zu bleiben, das Gefühl zu vermitteln, dass ich da bin und Dinge offen anzusprechen, half eine gewisse Verlässlichkeit in die Beziehung zwischen den
Patienten_innen und mir zu bringen.
In der Arbeit in der Carina fand ich eine der größten Herausforderungen die Patienten_innen auf ihrem Weg in verträglichem Maße zu fordern, ohne dabei ein Gefühl von Macht zu vermitteln und sie im Prozess immer wieder aufs Neue zu motivieren dran zu bleiben. Mir war es wichtig, mich nie über sie zu stellen und trotzdem fühlte ich mich oft in der Rolle des Zugpferdes, das behutsam, aber stetig vorne antreibt. Denn auch das gehört für mich zu einer verlässlichen, funktionierenden Beziehung auf professioneller Ebene dazu, dass man gemeinsam immer wieder aufs Neue versucht, einen Fuß vor den anderen zu setzen und den/die Patienten_in auf seinem/ihrem Weg zu begleiten.
In der anfänglichen Unsicherheit im Praktikum fragte ich mich oft, wie ich mich verhalten
soll/muss, damit das „in Beziehung treten“ möglich ist. Ich denke nun, dass es nicht in erster Linie um das Wie geht, bedeutsam erscheint mir, dies authentisch und mit Herz zu tun.